Wie oft werden Wellensittiche auf ihre „Grammzahl“ reduziert…
… dabei werden zuchtbedingte Unterschiede von Hansibubis und sogenannten Halbstandard- und Standard-Wellensittichen meist überhaupt nicht berücksichtigt.
Wenn ein Hansibubi 60 Gramm wiegt, ist das nicht gesund. Für einen großen Standardwellensittich kann das aber Idealgewicht sein.
Auch werden bei der Bestimmung des BMIs durch reine Beurteilung über Grammzahlen hormonelle Abweichungen nicht berücksichtigt.
Östrogen führt zu vermehrten Wassereinlagerungen und zu einer trägen Darmperistaltik.
Dies macht sich nicht nur bei Frauen während der Periode mit bis zu vier Kilo auf der Waage bemerkbar, sondern auch proportional bei den Wellensittichhennen, wenn sie in Brutstimmung sind.
Gleiches kann für einen Hahn mit Hodentumor gelten, wenn die entarteten Zellen vermehrt Östrogen produzieren.
Das Gewicht bei Tierarztbesuchen festzuhalten, kann aber durchaus sinnvoll sein. So sind massive Abweichungen besser festzustellen, die Hinweis auf eine ernsthafte Erkrankung sein können.
Nichtsdestotrotz sollte die Grammzahl immer in Kombination mit den Tastbefunden am Brustbein ausgewertet werden. Hat ein Wellensittich beispielsweise an Gewicht zugelegt, ist aber die Brustmuskulatur massiv zurückgegangen, kann eine Tumorerkrankung zugrunde liegen.
So ist es gerade bei unserer Birte, die einen Nierentumor hat, inzwischen sehr sehr mager geworden ist und trotzdem einen prallen Bauch hat.
Sie hat sich von der Grammzahl her kaum verändert, ist aber so krank, dass wir nur noch Hospizarbeit leisten können, bis sie nicht mehr möchte.
Wöchentliches Wiegen als alleinige Gesundheitskontrolle ist in so einem Fall also keine Garantie, dass einem „nichts durch die Lappen geht.“
Auf der sichereren Seite ist man, wenn man die Vögel gut beobachtet und Verhaltensauffälligkeiten sofort ernst nimmt und einen Vogelspezialisten für entsprechende Untersuchungen kontaktiert.
Dann gibt es viele Vögel, die stark übergewichtig zu uns kommen. Oft wurden diese vorher stark rationiert gefüttert, bevor sie zu uns kamen, aber dazu gleich mehr.
Diese adipösen Patienten nehmen im Schwarm meist schnell an Fettmasse ab.
Da Muskulatur aber schwerer als Fett ist, sind sie dann zwar oft gertenschlank und gut trainiert, haben aber an Grammzahlen nur wenig verloren.
Unsere grüne Prinzessin auf dem zweiten Bild ist so ein Fall.
Bei ihr könnte man durch das üppige Gefieder denken, dass sie zu dick ist.
Dabei „trägt“ nur das üppige Gefieder auf und sie befindet sich in einem guten Ernährungszustand. Ist eher schlank als fettleibig.
Bei manchen ehemals übergewichtigen Wellensittichen bleiben Lipome wie bei Spatz auf dem ersten Bild zurück.
Er hat eine gute Statur, kann super fliegen und hat Kondition, aber sieht immer aus wie eine Birne, weil sich das veränderte Fettgewebe nicht mehr vollständig zurückbilden kann.
Auch hier wieder ein schönes Beispiel dafür, wie sehr die optische Erscheinung täuschen kann.
Aufschluss über den wahren Ernährungszustand gibt hier nur ein Tastbefund am Brustbein.
Zuletzt möchten wir noch etwas zu einem hartnäckigen Mythos sagen: der oft streng rationierten Fütterung von Wellensittichen.
Entgegen der Meinung, dass dies Übergewicht vorbeugen soll, können auch gegenteilige Auswirkungen der Fall sein.
Durch die streng abgemessene Futtermenge und oft lange Karenzzeiten zwischen den Fütterungen geraten die Vögel durch ihren schnellen Stoffwechsel schnell in einen Hungerstatus.
Je länger dieser andauert, umso mehr lagert der Körper jegliche Nährstoffe ein, wenn sie ihm dann wieder zur Verfügung stehen. Es wird quasi alles vielfach verwertet, was zugeführt wird.
Diese Auswirkungen auf den Stoffwechsel können dann Fettleibigkeit begünstigen.
Diesem Effekt kann man mit einer ad libitum Fütterung entgegen wirken, wenn ein paar Grundregeln beachtet werden:
Es bietet sich an, den Vögeln den ganzen Tag kleine Mengen Futter verteilt im Raum anzubieten und sie über Wühlkisten und Bodenfütterung gleichzeitig sinnvoll zu beschäftigen.
Auch in der Natur haben Wellensittiche immer Futter zur Verfügung, weil sie als Nomaden immer in den Gebieten Halt machen, in denen gerade am meisten Futter (und Wasser) zur Verfügung steht.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass jeder Wellensittich bei uns tendenziell eher abgenommen als zugenommen hat, obwohl 24/7 Futter zur Verfügung steht.
Die kranken und alten Wellensittiche bekommen sogar (halbreife) Hirse und Haferkerne phasenweise ständig zur freien Verfügung, weil sie sonst ihr Gewicht gar nicht halten könnten. Hierfür ist der fast erblindete Kjell auf dem dritten Bild ein schönes Beispiel.
Wir hoffen, dass der Text besorgten Vogelhalterinnen eine Hilfe ist. Er erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, spiegelt persönliche Erfahrungen wider und ersetzt nicht den Gang zu erfahrenen vogelkundigen Tierärztinnen.