Lykka lebte seit Oktober 2016 in der Pflegestelle. Bei strömendem Regen wurde sie am Nachmittag vor der ersten Staatsexamensprüfung ihrer Felo mitten im Nirgendwo abgeholt.
Gott sei Dank wurde der Abholtermin aufgrund der anstehenden Prüfung nicht verschoben, denn die ehemaligen Halter hatten sich nicht die Mühe gemacht, noch einmal Futter für sie zu besorgen.
So stürzte sich die scheue Henne noch in der Küche der ehemaligen Halter auf die in der Transportbox bereitgelegte Hirse.
Sie muss so einen Hunger gehabt haben, dass in diesem Moment, der Drang zu fressen, größer als ihre Angst vor Menschen war.
Auch auf der Rückfahrt regnete es junge Hunde und so sollte dieser Tag noch lange in Erinnerung bleiben.
Zuhause angekommen, erwartete die damals etwa einjährige Henne ein gleichalter Hahn, der ebenso wie sie als Einzelvogel bei einer Tombola als Preis für Kinder gewonnen worden war.
Während Kjell sein erstes Lebensjahr mit einem Meerschweinchen verbrachte, überlebte Lykka wie durch ein Wunder sämtliche Ausdünstungen, die in einer Küche so auftreten und gefährlich werden können.
Kurz nach ihrer Ankunft biss sich Lykka ein Stück Zunge ab, dass wir durch den hohen Blutverlust Sorge hatten, sie zu verlieren. Doch das junge Glück wurde Gott sei Dank nicht getrennt, Lykkas Genesung ging schnell vonstatten.
Denn seit ihrer gemeinsamen Zeit in Quarantäne, waren Kjell und Lykka ein echtes Liebespaar.
Liebe auf den ersten Blick gibt es wohl auch bei Wellensittichen nicht so oft.
Bei Kjell und Lykka war es der Fall und sie waren ein harmonisches Paar bis zu Lykkas Tod. ❤☺
Trotz der heißen Liebesbekundungen, die Kjell immer wieder an den Tag legte, war Lykka keine Henne, die irgendwelche Nachwuchsambitionen hatte.
Die Wachshaut war meistens schön hell und nur in den letzten Monaten bildete sie ab und an einen Legebauch an. Ein Hormonpräparat wirkte immer nur kurz.
Als ihr ein Hormonchip gesetzt werden sollte, konnte der Tierarzt eine feste Masse im Bauch tasten. Es wurde ein Röntgenbild angefertigt, weil Verdacht auf eine Legenot bestand.
Der Tierarzt traute seinen Sinnen kaum, als auf dem Röntgenbild kein Ei zu sehen war, er „es“ aber unter seinen Fingern fühlen konnte.
Lykka wurde mit Calciuminfusionen versorgt und stationär aufgenommen.
Während ihrer Zeit in der Praxis veränderte sich die Masse zu einer grobkörnigen Konsistenz.
Es war klar, dass sich ihr Zustand weiter verschlechtern würde und so wurde eine Operation gewagt. Diese überstand Lykka auch erstaunlich gut.
Da es sich bei der geborgenen schwarzkrümeligen Masse in der Bauchhöhle höchstwahrscheinlich um einen fehlgesprungenen Eidotter handelte, wurde Lykka am nächsten Tag ein Hormonchip gesetzt.
So sollte gewährleistet werden, dass sie nicht wieder Eier anbildet und vielleicht sogar durch eine mögliche angeborene Missbildung das Gleiche wieder geschähe.
Am Tag nach der Operation wurden wir angerufen, dass wir sie abholen können. Alles schien gut.
Doch kurz vor der Abholung verschlechterte sich Lykkas Zustand so sehr, dass sie sogar blutige Flüssigkeit erbrach.
Alle Versuche, ihr zu helfen, scheiterten.
Sie verstarb am frühen Morgen.
Wir wissen nicht, was passiert ist. Vielleicht hätte eine Obduktion Aufschluss gegeben, vielleicht auch nicht.
Lykka wurde stattdessen im Garten ihrer Felo begraben.
Erstaunlicherweise trauert Kjell kaum. Die beiden waren immer so eng und wenn er seine Lykka nicht sofort fand, schrie er das ganze Haus zusammen.
Diesmal war es anders. Es schien ihn nicht zu interessieren, dass sie nicht da war. Als ob er gewusst hätte, dass es ein Abschied für immer sein würde.
Wir sind jedenfalls sehr froh, dass Kjell den Verlust seiner Liebsten so gut wegsteckt. Immerhin waren sie fünfeinhalb Jahre ein enges Paar und stellten allerlei Schabernack zusammen an.
Lykka bedeutet so viel wie „die Glückliche“. Und wir denken, sie hat ein schönes Leben geführt. Gerne gebadet, gerne wunderschön und ganz leise gesungen, ihre Federlose immer mit diesem speziellen kecken und gleichzeitig weichem Blick verzaubert und jegliches Frischfutter inhaliert. Immer mit Kjell an ihrer Seite.
Niemals hätten wir gedacht, dass wir so schnell Abschied nehmen müssen. Doch die Erinnerung an die vielen guten Momente und kleinen Abenteuer bleiben. Sie war bei so vielen persönlichen Meilensteinen in der Lebenslinie ihrer Felo dabei.
Danke für die tolle Zeit, liebe Lykka. Wir werden dich für immer im Herzen tragen. ❤❤❤